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ARTE-Interview mit Christian Bauer


Ihr Dokumentarfilm wirkt wie ein Thriller. Hatten Sie Spielfilme im Kopf, als Sie den Film gedreht haben?
Ich hatte nicht diese ästhetische Distanz, die mir erlaubt hätte zu überlegen: „Hey, wie erzähle ich jetzt diese Geschichte?“ Ich war mittendrin in diesem Sumpf. Zwar hat es schon Dokumentarfilme gegeben, die versuchten, Mordfälle zu klären. Aber noch nie hatten der Filmemacher und das Opfer eine so enge Freundschaft wie Allen Ross und ich.

Wie kommt so eine Freundschaft zustande? Sie waren ja Kollegen.
Mit Allen gab es eine Seelenverwandtschaft. Ich wusste, wie er tickt. Er wusste, wie ich ticke. Und wir konnten unser Ticken synchronisieren.

War die Freundschaft auch so gut, weil er ein wenig chaotisch war, wie Sie im Film erzählen, und Sie sich an Drehpläne halten mussten?
Im Professionellen war er ein absolut unermüdlicher Arbeiter, überhaupt nicht chaotisch. Es gibt in dem Mississippi-Film...

...Ihr letzter Film mit Allen Ross, und wenige Wochen danach ist er verschwunden...
...eine Szene, die mich immer anrührt, weil ich weiß, als er sie drehte, lag ich in der Kajüte und schlief. Und er ist draußen rumgelaufen mit der Kamera und hat auch noch den Ton dazu gemacht.

Seit Allen in der Sekte verschwand, haben Sie auch Filme gemacht, die von übersinnlichen Kräften erzählen. War das nur Zufall?
Es war meine eigene Neugier, dass es mehr verrückte Dinge gibt, von denen wir keine Ahnung haben. Aber ich hab´ auch gewusst, dass ihn das auch interessiert hätte. Allen Ross ist in diese Sekte gegangen, weil er ins Herz der Finsternis vorstoßen wollte.

War da auch bei ihm der dokumentarische Gedanke?
Nein, ich glaube nicht, dass er einen Film machen wollte. Ihm ging es um eine wirkliche, spirituelle Erfahrung.
Der Unterschied zwischen Ihnen und Allen Ross?
Ich bin sicherlich eher ein Realist, nicht so getrieben wie er, vielleicht ein glücklicherer Mensch in meiner Arbeit.

Es enttäuscht Sie nicht, dass Ihr Film keinen Verleih findet?
Wer ein Film macht, möchte für den Film geliebt werden. Und der möchte auch, dass der Film geliebt wird vom Publikum. Ich mach das jetzt schon so lange, dass ich darauf vorbereitet war, dass der Film nicht in den Kinos läuft.

Warum findet der Film denn keinen Verleih?
Ich bin nicht Wim Wenders. Wenn der seinen verschwunden Freund suchen würde, dann wäre das ein Kinoereignis. Aber ich bin fürs Kino ein Nobody. Und auch der Mann, den ich suche, das ist ja nicht ein Neffe von John F. Kennedy.

Diese Suche war ein ungeheurer Aufwand. Den haben Sie nicht alleine bewältigt?
Die Amerikanerin Gaylon Emerzian war meine Associate Producerin. Und es gab einen Journalisten, der hatte einen Artikel geschrieben über Allen, ein paar Jahre zuvor. Der wollte an dem Film mitarbeiten. Aber bevor es richtig losging, hat er Angst gekriegt – vor einer Sekte, von der man eben nicht genau wusste, welche Macht sie wirklich hat.

Und Sie, hatten Sie keine Angst?
Es gab schon einige Momente: Gleich am Anfang des Films, als wir Allens Kamera entdecken in einer Garage. Wir kriegten einen Anruf: Allens Sachen sind gefunden geworden. Wir sind sofort losgefahren – und unterwegs kommt ein zweiter Anruf: Da fährt ein Auto um den Block und beobachtet uns! Es gab da eine ständige Atmosphäre von Bedrohung. Mein Rechtsanwalt hatte mir am Anfang der Arbeiten geraten, eine Lebensversicherung abzuschließen über eine Million Dollar und per Presseerklärung zu verbreiten: Diese Million soll sicherstellen, dass der Film zu Ende gedreht wird, auch wenn ich dabei zu schaden komme. Die einzige Versicherung, die das Risiko übernehmen wollte, verlangte 10.000 Dollar. Das konnte ich mir aber nicht leisten.

Sie haben alles überstanden. Was hat sich seit dem Ende der Dreharbeiten ereignet?
Linda ist tot, Allens Exfrau und zentrale Figur in der Sekte. Für mich war sie eine der Hauptverdächtigen. Sie ist an einem Leberleiden verstorben, so sagt es die Polizei. Ich frage mich, was das für die Ermittlungen bedeutet: Werden die anderen Mitglieder der Sekte nun reden? Oder kann man einer Toten den Mord nun beruhigt anhängen?

Werden Sie von der Polizei über den Verlauf der Ermittlungen informiert?
Nein. Der Ausgang des Falls ist immer noch offen.


Das Gespräch führte Matthias Stolz. ARTE TV Magazin

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